Beratungspflicht im Scheidungsfall

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In seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 5. Oktober 2023 (Az. 12 U 66/23, VersR 2024, 164-169) hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe ein Urteil der Vorinstanz im Wesentlichen bestätigt. Danach müssen der Gebäudeversicherer und sein Versicherungsvertreter gesamtschuldnerisch dafür haften, dass sie einen wertvollen Rat nicht gegeben hatten.

Hintergrund war, dass sich ein Ehepaar getrennt hatte und die Ex-Ehefrau dem Kläger im Wege der Vermögensaufteilung ein ursprünglich ihr gehörendes Grundstück mitsamt Einfamilienhaus im Januar 2020 übertrug. Für das Haus bestand bei dem verklagten Versicherer eine von der Ex-Ehefrau abgeschlossene Gebäudeversicherung.

Übertragung der Gebäudeversicherung nach der Scheidungsverhandlung

Die neue Ehefrau des Klägers rief Anfang Februar 2020 bei dem Versicherungsvertreter an und teilte dessen Mitarbeiterin die beschlossene Eigentumsübertragung mit. Sie bat darum, die Gebäudeversicherung umzuschreiben. Denn sie hatte die Sorge, dass die derzeitige Versicherungsnehmerin die Prämien nicht mehr bezahlen könnte. Allerdings informierte die Mitarbeiterin die Ehefrau, dass eine Umschreibung ohne Zustimmung der Versicherungsnehmerhin zu dem Zeitpunkt nicht möglich sei und versuchte anschließend diese Zustimmung bei der Ex-Gattin einzuholen - vergeblich.

Die Sache eskalierte, als die am 1. Juli 2020 fällige Versicherungsprämie tatsächlich nicht bezahlt wurde und auch das Mahnverfahren gegenüber der Ex-Gattin durch den Versicherer erfolglos blieb. Denn am 13. September 2020 trat ein schwerwiegender Leitungswasserschaden ein. Dieser soll 118.000 Euro betragen haben. Der Versicherer berief sich jedoch auf Leistungsfreiheit wegen der ausgebliebenen Prämienzahlung.

Richtige Auskunft, aber fehlender Rat

Das OLG widersprach der Vorinstanz in einem Punkt: Dort war man noch davon ausgegangen, dass die Mitarbeiterin der Versicherungsagentur eine falsche Auskunft gegeben hätte zur Übernahme der Gebäudeversicherung. Die Aussage, dass eine Umschreibung nur mit Zustimmung der zu diesem Zeitpunkt noch rechtmäßigen Versicherungsnehmerin möglich sei, war nach Ansicht des Gerichts korrekt.

Tatsächlich hätte es eines dreiseitigen Vertrags bedurft, zwischen der ausscheidenden Versicherungsnehmerin, dem neu eintretenden Versicherungsnehmer und dem Versicherer. Dann wäre der zunächst für fremdes Interesse geltende Gebäudeversicherungsvertrag einvernehmlich übertragen und eine Deckungslücke durch Nichtzahlung der Prämie vermieden worden. Gesetzlich sei der Fall nicht geregelt, ob ein Erwerber notfalls auch ohne eine solche Zustimmung den Gebäudeversicherungsvertrag sofort übernehmen kann, sobald der Erwerb unter notarieller Begleitung beschlossen worden ist.

Aber es gab einen anderen Verstoß: Der Versicherer beziehungsweise der Vertreter und dessen Mitarbeiterin hätten der Ehefrau des Klägers nach den §§ 6, 61 VVG beraten müssen. Und zwar hätten sie in diesem Fall zum Abschluss einer eigenen Gebäudeversicherung raten sollen, damit das Gebäude auf keinen Fall unversichert bleibt. Das aber war nicht der Fall.

Der Anlass für eine solche Beratung hat nach Ansicht des Gerichts bestanden. Denn durch die Bemühungen der Ehefrau des Erwerbers der Immobilie war dem Versicherer und dessen Vertreter bekannt, dass ein Eigentumsübergang bevorsteht, aber eine Deckungslücke entstehen könnte. Jetzt hätten die Fachleute der Branche reagieren und die Möglichkeit des Abschlusses einer eigenen Gebäudeversicherung aufzeigen müssen. Das OLG ging weiter davon aus, dass der Erwerber diesem Rat gefolgt wäre - jedenfalls konnten die Beklagten diese Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht widerlegen.

Probleme lösen und nicht nur Auskünfte geben

Der Fall zeigt, dass die Beratungspflicht nach VVG sehr weit gehen kann, damit dem bestmöglichen Kundeninteresse im Sinne des § 1a VVG Rechnung getragen wird. Dem Kunden ist es in einer offensichtlich außergewöhnlichen Situation, die im Scheidungsfall in der Übergangszeit zwischen der Scheidungs-Einigung und dem tatsächlichen Eigentumserwerb entstanden war, nicht zuzumuten, selbst auf die rettende Idee einer zweiten Gebäudeversicherung zu kommen.

Das hätte der Vertreter anregen oder zumindest auf die Idee kommen müssen, bei seinem Versicherer nachzufragen, wie mit einem solchen, sicher nicht oft vorkommenden Fall am besten umzugehen ist. Mit der fachlich zunächst richtigen Auskunft zur Möglichkeit einer vorzeitigen Vertragsumschreibung und einem vergeblichen Versuch, eine Zustimmungserklärung einzuholen, war das Problem des Kunden nicht gelöst. Die Folge ist ein sehr teurer Schadenersatz im sechsstelligen Bereich.

Autor(en): Matthias Beenken

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